Herzstück des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist das neue Sozialpartnermodell. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften können in Tarifverträgen vereinbaren, reine Beitragszusagen einzuführen. So müssen Arbeitgeber nicht für spätere Rentenzahlungen einstehen.
Für Unternehmen stellt sich seit Anfang 2018 die Frage, ob es vorteilhaft ist, im Rahmen des Sozialpartnermodells ein System betrieblicher Altersversorgung zu errichten oder bestehende Systeme umzustellen. Ein Überblick.
Hervorgehobene Rolle der Tarifparteien
Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Verantwortung auf die Tarifparteien zu übertragen, ob die Betriebsrenten auszuweiten sind. Die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sollen dies also bestimmen.
Die Begründung: So könne man einen stärkeren Eingriff in Form eines gesetzlich verpflichtenden Betriebsrentensystems vermeiden und branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen.
Offen bleibt, ob es gelingt, auf diese Weise kleine Unternehmen und Geringverdiener zu erreichen, die überproportional oft nicht tarifgebunden sind.
Vereinbarungen im Sozialpartnermodell
Sozialpartner sind die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände. Vereinbarungen werden als Tarifverträge geschlossen. Möglich sind auch Tarifverträge zwischen Gewerkschaften und einzelnen Arbeitgebern, sog. Haus- oder Firmentarifverträge.
Reine Beitragszusagen
Das Besondere am Sozialpartnermodell: Die teilnehmenden tarifgebundenen Arbeitgeber stehen nicht für spätere Betriebsrentenzahlungen ein. Nach dem pay and forget Prinzip geben Unternehmen „reine Beitragszusagen“ ab. Sie zahlen die zugesagten Beiträge bis zur Höhe der „Zielrente“ an externe Versorgungsträger. Von der späteren Haftung für Rentenzahlungen werden sie freigestellt (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a BetrAVG n.F.).
Mit dem Sozialpartnermodell führt der Gesetzgeber erstmals eine Zusageform im Betriebsrentenrecht ein, die Arbeitgeber nicht jahrzehntelang mit schwer kalkulierbaren Haftungsrisiken belegt. International wird diese Zusageform in vielen Ländern schon lange genutzt.
Tarifparteien führen betriebliche Altersversorgung durch
Die Tarifparteien sind dafür verantwortlich, die betriebliche Altersversorgung durchzuführen und zu überwachen (21 Abs. 1 BetrAVG n.F.). Denkbar ist auch, die betriebliche Altersversorgung z.B. in Form einer sog. gemeinsamen Einrichtung durchzuführen.
Es reicht aus, dass die Tarifparteien bei bestehenden Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen darauf einwirken, dass die betriebliche Altersversorgung durchgeführt wird. Das kann man bspw. durch die Vertretung im Aufsichtsrat oder einem vergleichbaren Gremium der Versorgungseinrichtung sicherstellen.
Leistungen aus einer reinen Beitragszusage
Wer die Leistungen aus einer reinen Beitragszusage erbringt, hängt von der Form der Zusage ab. Dies kann ein Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung sein.
Die Direkt- und Unterstützungskassenzusage hat der Gesetzgeber bedauerlicherweise nicht mit einbezogen. Die Leistungen werden als laufende Versorgungsleistungen erbracht. Einmalige Kapitalauszahlungen sind nicht vorgesehen – nur im Ausnahmefall einer Abfindung für sehr geringe Beträge.
Die Anwartschaft des Arbeitnehmers auf Altersrente gegenüber dem Leistungserbringer ist sofort unverfallbar. Denn im Verhältnis zu diesem kommt es gerade nicht auf die Betriebstreue an. Zur Invaliditäts- und Hinterbliebenenrente können die Tarifparteien abweichende Vereinbarungen treffen (§ 22 Abs. 2 BetrAVG n.F.).
Keine Garantie für reine Beitragszusagen
Bei einer reinen Beitragszusage garantieren weder der Arbeitgeber noch die potentiellen Leistungserbringer eine Mindestleistung (§ 22 Abs. 1 S. 2 BetrAVG n.F.). Die Höhe der Betriebsrente hängt von der Vermögensentwicklung der Einrichtung – also Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung – ab. Hintergrund des Garantieverbots: Man rechnet so mit einer besseren Rendite von Kapitalanlagen.
Es gibt auch keine Pflicht zur Insolvenzsicherung. Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) steht nicht für mögliche Zahlungsausfälle der Versorgungseinrichtung ein. In Tarifverträgen „soll“ deshalb ein zusätzlicher Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vereinbart werden (§ 23 Abs. 1 BetrAVG n.F.).
Dabei handelt es sich jedoch um keine zwingende Vorschrift. Die Tarifparteien können auch ohne Konsequenzen abweichende Regelungen treffen.
Schließlich soll ein Zahlungsausfall durch neue versicherungsaufsichtsrechtliche Regeln zu Informations- und Berichtspflichten gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vermieden werden, die die durchführende Einrichtung beachten muss.
Öffnungsklauseln für Betriebsvereinbarungen
Nach der gesetzlichen Regelung kann man bei einer Öffnungsklausel in einem Tarifvertrag die Möglichkeit zu Vereinbarungen über die betriebliche Altersversorgung auf die Betriebsparteien, also Arbeitgeber und Betriebsräte, übertragen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a BetrAVG n.F.).
Regelung für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Tarifverträge – und auch darin enthaltene Vereinbarungen zu Betriebsrenten im Rahmen des Sozialpartnermodells – gelten unmittelbar nur für tarifgebundene Arbeitgeber und Gewerkschaftsmitglieder.
Nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Vereinbarungen treffen, ob und wie die tarifliche Regelungen anzuwenden sind (§ 24 BetrAVG n.F.). Es ist jedoch nur möglich, an einem Betriebsrentenmodell teilzunehmen, wenn die durchführende Versorgungseinrichtung damit einverstanden ist. Dazu besteht keine gesetzliche Verpflichtung.
„Sachlich unbegründete Vorgaben“ sollen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmer aber nicht von der Teilnahme am Sozialpartnermodell abhalten (§ 21 Abs. 3 BetrAVG n.F.).
Perspektiven
Es ist zweifelhaft, ob es durch das Sozialpartnermodell und die neue „Tarifrente“ gelingt, Betriebsrenten in kleineren und mittleren Unternehmen zu verbreiten und Geringverdiener stärker einzubinden.
Das hängt vor allem von der praktischen Umsetzung durch die Tarifparteien und die tatsächliche Öffnung für nicht-tarifgebundene Unternehmen ab. Bisher haben sich die Tarifparteien im Hinblick auf Vereinbarungen über reine Beitragszusagen zurückgehalten.
Was passiert, wenn das freiwillige Sozialpartnermodell die Betriebsrente nicht stärken kann? Der Gesetzgeber hat schon in Aussicht gestellt, dass er Unternehmen und Beschäftigten ggf. zwangsweise verpflichtende Betriebsrentenmodelle verordnen wird.