Was ändert sich im Steuerrecht in Sachen Verrechnungspreise? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten aktuellen und künftig zu erwartenden Rechtsänderungen.
Aktuelle und künftige Rechtsänderungen
Erweiterte Dokumentationspflichten für Steuerpflichtige
- Aufgrund der neuen Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsordnung („GAufzV“) sind Verrechnungspreisdokumentationen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2016 beginnen, zu überprüfen und anzupassen, insbesondere bei Gewichtung von Funktionen, Vermögenswerten und Risiken. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen wurden zum Teil sehr weitreichend ausgedehnt. Eine kritische Würdigung zur Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung 2017 von Stephan Schnorberger, Lars H. Haverkamp und Nils Etzig finden Sie hier.
Transparenzregister einrichten
- Bei Gesellschaften, die nicht an der Börse notiert sind, ist ein Eintrag zum Transparenzregister zu prüfen und gegebenenfalls zu beantragen. Dass Transparenzregister erfasst „wirtschaftlich berechtigte“ natürliche Personen hinter juristischen Personen des Privatrechts und eingetragenen Personengesellschaften. Zu nennen sind die natürlichen Personen , die
(1) unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile halten,
(2) mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrollieren oder
(3) auf vergleichbare Weise Kontrolle ausüben.Bei Verstößen drohen Bußgelder. Die Regelung ist seit dem 26. Juni 2017 in Kraft.
Lizenzschranke und US-Steuerreform – Lizenzgebühren gegebenenfalls nicht abziehbar
- Es gilt ein Abzugsverbot für Lizenzgebühren („Lizenzschranke“), die an verbundene Unternehmen gezahlt werden, soweit die Gebühren beim Lizenzgeber niedrig besteuert werden – und zwar wegen einer Sonderregelung, die nicht dem OECD Nexus-Ansatz entspricht. Brisant und wohl nicht OECD-konform ist hier die niedrige Besteuerung (effektiv 13,25 Prozent) von höheren Gewinnen aus dem Export von Gütern und Leistungen nach Sec. 250 des Internal Revenue Code aufgrund der US-Steuerreform 2018. Sec. 250 stellt eine Art „US-IP Box“ dar. Die deutsche Lizenzschranke ist bereits in Kraft getreten und gilt erstmals für Aufwendungen, die nach dem 31. Dezember 2017 entstehen.
Mitteilungspflichten für Beteiligungen an Drittstaat- Gesellschaften
- Es gibt neue Mitteilungspflichten für Beteiligungen an Drittstaat- Gesellschaften in § 138 Abs. 2 bis 5 AO, soweit es zu einem beherrschenden oder bestimmenden Einfluss kommt. Drittstaat-Gesellschaften sind Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb der EU oder der Europäischen Freihandelsassoziation (schweizerische Gesellschaften sind also keine Drittstaat-Gesellschaften). I.d.R. ist die Mitteilung spätestens zusammen mit der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuererklärung zu erstatten.Außerdem gibt es eine Mitteilungspflicht für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Zahlungsinstitute und Finanzunternehmen (§ 138b AO). Diese müssen vermittelte oder hergestellte Beziehungen zu Drittstaat-Gesellschaften dem Finanzamt melden, wenn es durch diese Beziehungen erstmals (unmittelbar oder mittelbar) zu einem beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die Drittstaat-Gesellschaft kommt. Das gilt auch, wenn dieser Einfluss nur zusammen mit nahestehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG) ausgeübt werden kann.
Die Regelung ist in Kraft und gilt erstmals für Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2017 verwirklicht werden.
Steuerliches Bankgeheimnis aufgehoben
- Das steuerliche Bankgeheimnis in § 30a AO ist aufgehoben. Dies gilt für alle am und ab 25. Juni 2017 anhängigen Verfahren, d.h. teilweise rückwirkend.
- Normierung der Möglichkeit von Sammelauskunftsersuchen in § 93 Abs. 1a AO. Dies gilt für alle am und ab 25. Juni 2017 anhängigen Verfahren, d.h. teilweise rückwirkend.
Steuerhinterziehung: Katalog der besonders schwere Fälle erweitert
- Der Katalog besonders schwerer Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO) wurde erweitert: Ein besonders schwerer Fall liegt nun auch vor, wenn eine Drittstaat-Gesellschaft (siehe Nr. 4 bzw. § 138 Abs. 2 AO), etwa eine „Briefkastengesellschaft“, die genutzt wird, um steuerlich erhebliche Tatsachen zu verschleiern und so fortgesetzt Steuern verkürzt werden. Gleichzeitig ist die strafbefreiende Selbstanzeige in solchen Fällen ausgeschlossen. Die Regelung gilt für Steuerhinterziehungen, die ab dem 25. Juni 2017 begangen werden.
OECD-Verrechnungspreislinien und -Musterabkommen aktualisiert
- Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien wurden aktualisiert, v.a. geht es um die Änderungen aufgrund der OECD-Berichte zu den BEPS-Aktionspunkten 8 – 10 (Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation) und 13 (Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting). Die neuen Leitlinien wurden am 10. Juli 2017 veröffentlicht. Einzelne Änderungen „gelten“ laut OECD bereits, seit der Rat der OECD und der OECD Finanzausschuss diese angenommen hat. Die Anwendungszeiträume hängen ab von der nationalen Verwaltungspraxis und von der Möglichkeit, Doppelbesteuerungsabkommen dynamisch auszulegen.
- Das OECD-Musterabkommen wurde aktualisiert, um Doppelbesteuerung zu vermeiden. Es beinhaltet v.a. die Empfehlungen der OECD-Berichte zu den Aktionspunkten 2: Neutralizing the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, 6: Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances, 7: Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status und 14: Making Dispute Resolution More Effective. Am 18. Dezember 2017 wurde das aktualisierte OECD-Musterabkommen veröffentlicht
Namensnutzung im Konzern und “Country-by-Country Reporting“
- Am 7. April 2017 wurde das BMF-Schreiben zur Namensnutzung im Konzern, also besonders zu Konzern-Namens- und Konzern-Markenlizenzen, veröffentlicht. Es gilt für alle offenen Fälle.
- Ein weiteres BMF-Schreiben zu Anforderungen an das “Country-by-Country Reporting“ wurde am 11. Juli 2017 veröffentlicht. Es gilt ebenfalls für alle offenen Fälle.
Doppelbesteuerungsabkommen geändert
- Voraussichtlich ab 2019 werden selektive Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) in Umsetzung der OECD-BEPS-Empfehlungen in Kraft treten. Dies geschieht nach Notifizierung gegenüber der OECD auf Basis des multilateralen Instruments. Das BMF strebt dazu bilaterale Vereinbarungen mit DBA-Staaten an.Bemerkenswert ist vor allem,
- dass Deutschland in seiner Notifizierung seine langjährige Sichtweise zu den Ausnahmen einer Betriebsstättenbegründung durch bestimmte Geschäftstätigkeiten bestätigt hat. Danach vermeiden die Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten eine Betriebsstätte nur dann, wenn sie die Haupttätigkeit des Unternehmens tatsächlich im Einzelfall vorbereiten oder unterstützen. Die aufgelisteten Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten stellen also keine „automatischen“ oder per se-Ausnahmen vom Betriebsstättenbegriff dar,
- dass Deutschland es abgelehnt hat, einen Kommissionär generell als Betriebsstätte des Prinzipals zu besteuern. Ggf. wird Deutschland jedoch in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbaren, Kommissionäre als Betriebsstätten des Prinzipals zu besteuern (wie bereits 2015 im Doppelbesteuerungsabkommen Australien mit Rechtswirkung ab dem 11. Oktober 2016 geschehen) und
- dass Deutschland bereit ist, Verständigungsverfahren mit „Lösungsgarantie“ per Schiedsverfahren einzuführen.
Steuergestaltungen bald anzeigen?
- Steuerintermediäre (i.d.R. steuerliche Berater) oder Steuerpflichtige müssen grenzüberschreitende Steuergestaltungen und einen EU-weiten Austausch über Steuergestaltungen anzeigen. Nach dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission ist diese Regel ab 1. Januar 2019 anzuwenden.Der Bundesrat nahm am 22. September 2017 gegenüber der EU-Kommission Stellung und begrüßt das Vorhaben grundsätzlich.
Die EU-Kommission antwortete am 21. November 2017 und betonte besonders, dass die Meldepflicht nicht gegen die europäischen Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot verstoße.
Anonyme Meldungen durch den steuerlichen Berater lehnt die EU-Kommission ab. Soweit der steuerliche Berater wegen einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht nicht zur Meldung gezwungen werden kann, muss der Steuerpflichtige nach Auffassung der EU-Kommission die Steuergestaltung selbst melden.
Verbindliche Streitbeilegungsverfahren
- Am 3. November 2017 trat eine Richtlinie in Kraft, die verbindliche Streitbeilegungsverfahren vorsieht bei Doppelbesteuerung innerhalb der EU in Umsetzung der EU-Richtlinie, um Doppelbesteuerungsstreitigkeiten innerhalb der EU beizulegen. Die Richtlinie ist bis zum 30. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen. Sie ist auf Doppelbesteuerungen von Gewinnen anzuwenden, die in Steuerjahren ab dem 1. Januar 2018 erzielt werden.
- Das Streitbeilegungsverfahren soll auf der EU-Schiedskonvention beruhen und deren Anwendungsbereich über Verrechnungspreisstreitigkeiten hinaus ausweiten.
- Die Richtlinie hat besondere Bedeutung für Streitigkeiten, ob n Betriebsstätten vorhanden sind.
Änderungen der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung
- Es wird evtl. Änderungen der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung in § 7 ff. AStG in Umsetzung der EU Anti-Tax Avoidance Directive („ATAD I Richtlinie“) geben. Die Änderungen sind für die Zeit nach Konstitution der Bundesregierung zu erwarten.
- Ebenfalls für die Zeit nach Konstitution der Bundesregierung erwartet wird evtl. eine Gesamtlösung zu hybriden Finanzierungen und hybriden Strukturen sowie Umsetzung der EU-Richtlinie zu hybriden Gestaltungen mit Drittländern („ATAD II Richtlinie“).
Entwurf zum “Public Country-by-Country Reporting“
- Es gibt einen offenen Entwurf der EU-Kommission vom 12. April 2016 zur Änderung der EU-Bilanzrichtlinie. Dieser sieht vor, dass bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen Ertragssteuerinformationen veröffentlichen müssen (“Public Country-by-Country Reporting“). Der Entwurf ist in Lesung beim Europäischen Parlament; es gibt eine erste Stellungnahme des Committe on Development vom 28. April 2017.
Verwaltungsgrundsätze zum Gewinn von Betriebsstätten ohne Personal
- In Diskussion sind derzeit Verwaltungsgrundsätze zum Gewinn von Betriebsstätten ohne Personal, wie z.B. Server, Pipelines und Windräder.
Bereits umgesetzte Rechtsänderungen
Folgende Maßnahmen wurden bereits umgesetzt:
Dokumentation der Verrechnungspreise – Pflichten erweitert
- Schon das erste BEPS-Umsetzungsgesetz erweiterte die Pflichten zur Verrechnungspreisdokumentation für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2016 erheblich. Mit der Novellierung des § 90 Abs. 3 AO wurden vor allem folgende Änderungen eingeführt:Nun sind auch Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung aufzuzeichnen.
Auch eine sog. Angemessenheitsdokumentation, also die systematische Aufzeichnung von Fremdvergleichsdaten, gehört nun zwingend zur Dokumentation der Verrechnungspreise.
Inländische Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 100 Mio. Euro müssen nun die weltweite Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und die Systematik der Verrechnungspreisbestimmung aufzeichnen. Das entspricht der OECD/G20-Abschlussberichtempfehlung zu Aktionspunkt 13.
“Country-by-Country Reporting“
- Das “Country-by-Country Reporting“ für inländische Konzerne mit mindestens 750 Mio. Euro Umsatz gilt nun für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2015.
- Das “Country-by-Country Reporting“ für inländische Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne mit mindestens 750 Mio. Euro Umsatz gilt nun für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2016.
- Für ausländische Unternehmen interessant: Es gibt nun die Möglichkeit des “Surrogate Filing“ (§ 138a Abs. 3 AO) – und zwar für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2015
Zusätzliche Regelungen zu hybriden Finanzierungen und hybriden Strukturen
- Am 27. Juni 2017 trat die erweiterte EU ATAD I – Richtlinie in Kraft. Es gibt nun zusätzliche Regelungen zu hybriden Finanzierungen und hybriden Strukturen (EU ATAD II – Richtlinie). Sie ist bis 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen und ist ab 1. Januar 2020 anwendbar. Für umgekehrt hybride Gestaltungen ist die Richtlinie bis 31. Dezember 2021 umzusetzen, anwendbar ab 1. Januar 2022.
Ausländische Steuer auf deutsche Steuer anrechnen
- Ermächtigung des Bundesfinanzministeriums, auf Basis einer Rechtsverordnung bestimmte ausländische Einkünfte oder Einkunftsteile nicht länger von der inländischen Besteuerung freizustellen, sondern eine ausländische Steuer nur noch auf die deutsche Steuer anrechnen zu lassen. Diese Regelung gilt seit dem 1. Januar 2017.
- Die Möglichkeit wird ausgeweitet, bestimmte unbesteuerte Auslandseinkünfte der deutschen Besteuerung zu unterwerfen, auf einzelne Teilbeträge von Einkünften, z.B. auf steuerfreie ausländische Investitionszulagen, § 50d Abs. 9 S. 3 EStG. Die Rechtsänderung seit dem 1. Januar 2017 in Kraft und gilt für den Veranlagungszeitraum 2017.
- ‚Hinweis: § 50d Abs. 9 S. 3 i.d.F. Jahressteuergesetz 2007 ist derzeit Gegenstand eines Verfahrens beim BVerfG.
EU-weiter Informationsaustausch zu Verrechnungspreisen
- Ein EU-weiter, automatischer Informationsaustausch über Vorabverständigungen zu Verrechnungspreisen wurde eingeführt und ist seit dem 1. Januar 2017 in Kraft. Zu beachten: Auch Informationen aus einem APA (Advance Pricing Agreement)-Antrag mit Drittstaatsbezug, z.B. USA-Deutschland, unterliegen dem EU-weiten, automatischen Informationsaustausch.
Gewerbesteuerpflichtige Hinzurechnungsbeträge
- Hinzurechnungsbeträge ausländischer Kapitalgesellschaften und ausländischer Betriebsstätten (§ 7 GewStG) sind gewerbesteuerpflichtig. Diese Änderung ist seit dem 1. Januar 2017 in Kraft und gilt für den Veranlagungszeitraum 2017.
Sonderbetriebsausgaben nicht doppelt geltend machen
- Bestimmte Sonderbetriebsausgaben bei Personengesellschaften (§ 4i EStG) können nicht mehr doppelt geltend gemacht werden. Diese Regelung ist seit dem 1. Januar 2017 in Kraft und gilt mit für den Veranlagungszeitraum 2017.
- Beispielsweise sind Refinanzierungszinsen eines ausländischen Gesellschafters einer inländischen Personengesellschaft für ein Darlehen an die Personengesellschaft im Inland nicht mehr abzugsfähig, wenn der ausländische Personengesellschafter sie in seinem Ansässigkeitsstaat als Betriebsausgaben geltend machen kann.
Betriebsstättengewinnabgrenzung: Verwaltungsgrundsätze veröffentlicht
- Am 22. Dezember 2016 wurden die Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnabgrenzung veröffentlicht. Sie gelten für alle offenen Fälle.