Neben den Änderungen durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde das Betriebsrentenrecht zum 1. Januar 2018 noch weitergehend geändert – da das Umsetzungsgesetz zur EU-Mobilitätsrichtlinie in Kraft getreten ist.
Arbeitnehmerfreizügigkeit stärken
Die Mobilitätsrichtlinie von 2014 und das darauf basierende Umsetzungsgesetz von 2015 haben das Ziel, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa zu stärken.
Mitarbeiter sollen bei einer Versorgungszusage schneller gesicherte Betriebsrentenansprüche erwerben, um diese bei einem Unternehmenswechsel „mitnehmen“ zu können. Diese Mobilität der Betriebsrentenansprüche soll erleichtert werden.
Betriebsrenten-Anwartschaften unverfallbar
Ab einer gewissen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und einem Mindestalter wird eine erteilte Versorgungszusage über eine Betriebsrente „unverfallbar“. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch dann behält, wenn er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, bevor der Versorgungsfall eintritt – z.B., weil er den Arbeitgeber wechselt.
Verkürzte Fristen für „Unverfallbarkeit“ der Zusage
Wann ist eine Versorgungszusage unverfallbar? Entscheidend ist, wann das Unternehmen eine Versorgungszusage erteilt hat. Zu prüfen ist, wie alt der Arbeitnehmer ist, wenn er aus dem Unternehmen ausscheidet und seit wann die Versorgungszusage besteht.
Im Jahr 2000 legte der Gesetzgeber als Untergrenze für die Unverfallbarkeit noch fest, dass der Arbeitgeber sein 35. Lebensjahr abgeschlossen und die Versorgungszusage bereits zehn Jahre bestanden hat. Seitdem wurden die Unverfallbarkeitsfristen Schritt für Schritt verkürzt.
Durch die Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie wurden die Unverfallbarkeitsfristen für Versorgungszusagen ab dem 1. Januar 2018 weiter gesenkt. Nun reicht es aus, dass der Arbeitnehmer sein 21. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage mind. drei Jahren bestanden hat, wenn der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet.
Außerdem gilt für einen Übergangszeitraum die kürzere neue Frist auch für Versorgungszusagen, die vor dem 1. Januar 2018 erteilt wurden: Betriebsrentenansprüche sind schon dann unverfallbar, wenn die Zusage ungeachtet des Zeitpunkts ihrer Erteilung – gerechnet ab dem 1. Januar 2018 – mind. drei Jahre bestanden hat und der Arbeitnehmer nach dem 21. Lebensjahr ausscheidet (§ 30 f Abs. 3 BetrAVG n.F.).
Veränderungssperre und Benachteiligungsverbot
Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Unternehmen aus, nachdem die Versorgungszusage unverfallbar geworden ist, gilt für die Berechnung künftiger Ansprüche grundsätzlich die Versorgungszusage in der Form zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Die dann geltenden Bedingungen werden festgeschrieben (sog. Veränderungssperre).
Eine wichtige Ausnahme: Wenn die Festschreibung dazu führen würde, dass der Arbeitnehmer mit Blick auf seinen erworbenen „Teil-Anspruch“ auf Betriebsrente schlechter gestellt würde als ein vergleichbarer Mitarbeiter, der weiterhin für das Unternehmen arbeitet und von einer späteren Änderung der Versorgungsregelung profitiert (§ 2 a Abs. 2 S. 1 BetrAVG n.F.).
Ob eine Benachteiligung vorliegt, ist in einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Im Vergleich zwischen Alt- und Neuregelung kann man sich also nicht nur auf einzelne günstige Regelungen beziehen. Maßgeblich ist die Frage, ob sich eine Neuregelung insgesamt als günstiger erweist.
Das Benachteiligungsverbot gilt nicht für Beschäftigungszeiten vor dem 1. Januar 2018 und auch künftig nicht, falls das Versorgungssystem vor dem 20. Mai 2014 für neue Arbeitnehmer geschlossen wurde (§ 30 g Abs. 1 BetrAVG n.F.).
EU-Mobilitätsrichtlinie schafft unternehmerische Gestaltungsspielräume
Unternehmen können im Voraus durch eine bestimmte Form der Zusage oder durch Regelungen zur Anpassung der Versorgungshöhe eine spätere Benachteiligung für den Fall des Ausscheidens ausschließen.
Daher ist zu prüfen, ob eine feste Betriebsrentenleistung oder eine dynamische Anpassung der Rentenleistung zugesagt wird. Beide Fälle bedeuten für Unternehmen zusätzliche Kosten, schaffen aber gleichzeitig Rechts- und Planungssicherheit. Denn eine Benachteiligung gilt dann gesetzlich als ausgeschlossen (§ 2 a Abs. 2 S. 2 BetrAVG n.F.).
Abfindungsrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
Arbeitgeber können Anwartschaften auf eine Betriebsrente auch durch eine einmalige Abfindung abgelten, wenn es sich um kleinere Beträge handelt. Die Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie schränkt das einseitige Abfindungsrecht des Arbeitgebers ein.
Wenn der ausscheidende Mitarbeiter in einem anderen EU-Staat ein Arbeitsverhältnis begründet, kann ein Unternehmen dem Arbeitnehmer nur dann eine Abfindung zahlen, wenn dieser zustimmt. Dafür muss der ehemalige Mitarbeiter seinerseits seinen früheren Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten, nachdem er das Beschäftigungsverhältnis beendet hat, über die Aufnahme einer anderen Tätigkeit im EU-Ausland informieren (§ 3 Abs. 2 S. 3 BetrAVG n.F.).
Neue Auskunftspflichten durch EU-Mobilitätsrichtlinie
Durch die Mobilitätsrichtlinie werden Unternehmen und Versorgungsträgern künftig neue Auskunftspflichten auferlegt (§ 4 a BetrAVG n.F.).
Sie müssen, wenn ein Arbeitnehmer es verlangt, ihn wie bisher informieren über:
- die Bedingungen zum Erwerb eines Anspruchs auf eine Betriebsrente,
- die aktuelle Höhe eines Betriebsrentenanspruchs und dessen vorauss. Höhe, wenn er die vorgesehene Altersgrenze erreicht und
- den Übertragungswert des Betriebsrentenanspruchs.
Neu hinzu kommen zusätzlich Auskunftspflichten über:
- die Auswirkungen auf die Anwartschaft, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird und
- die Entwicklung der Ansprüche, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in dem Unternehmen tätig ist.
Die Auskunftsansprüche zur Höhe des Betriebsrentenanspruchs, dem Übertragungswert und der Entwicklung, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, stehen nach der Reform auch ehemaligen Angestellten zu (§ 4 a Abs. 2 und 3 BetrAVG n.F.).
Die neue Vorgabe, wonach das Unternehmen den Arbeitnehmer “verständlich, in Textform und in angemessener Frist“ informieren soll, wird sich voraussichtlich nicht wesentlich in der Praxis auswirken. Künftig ist für einen Auskunftsanspruch aber zudem kein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers mehr nötig. Das erleichtert dem Arbeitnehmer diesen Schritt.
Folgen für die Praxis
Die neuen Unverfallbarkeitsfristen begründen schon nach kürzerer Betriebszugehörigkeit und auch für jüngere Mitarbeiter gesicherte Betriebsrentenansprüche. Auf Unternehmen kommen neue Kosten zu. Die neuen Auskunftspflichten erzeugen zusätzlichen Verwaltungsaufwand.
Das Zusammenspiel von Veränderungssperre und Benachteiligungsverbot führt dazu, dass es komplizierter wird, Ansprüche ausgeschiedener Mitarbeiter zu berechnen. Grund genug, einmal zu prüfen, ob sich eine Festzusage oder ein Anpassungsversprechen lohnt, um Rechtssicherheit zu erreichen. Für Unternehmen besteht insofern Gestaltungsspielraum.