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In Sachen Corona-Pandemie wird es nach Vorlage eines Referentenentwurfs sowie einer Formulierungshilfe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vorauss. drei wesentliche Gesetzesänderungen geben. In Sachen Betriebsrat sollen virtuelle Sitzungen und Beschlüsse möglich werden. Zudem soll es Änderungen im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und Sozialgerichtsgesetz (SGG) geben, damit Arbeits- und Sozialgerichte funktionsfähig bleiben.

Durch Änderungen im Tarifvertragsgesetz (TVG) will man außerdem die Handlungsfähigkeit von Tarifvertragsparteien sichern. Das zunächst beabsichtigte Vorhaben im Kündigungsschutzgesetz (KSchG), die dreiwöchige Frist, Kündigungsschutzklagen zu erheben, befristet auf fünf Wochen zu verlängern, hat das BMAS nach erneuter Überarbeitung in der Formulierungshilfe ersatzlos gestrichen.

Virtueller Betriebsrat bekommt gesetzliche Grundlage

Die aktuellen Beschränkungen der Corona-Pandemie stellen die Handlungs- und Beschlussfähigkeit von Betriebsräten vor praktische Schwierigkeiten und rechtliche Unsicherheiten.

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) müssen Beschlüsse des Betriebsrats bisher in einer Präsenzsitzung erfolgen. Denn das Gesetz kennt nicht die Möglichkeit einer virtuellen Betriebsratssitzung und Beschlussfassung.

Im Zuge der Pandemie sprach sich der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, in einer Erklärung vom 23. März 2020 dafür aus, dass eine Beschlussfassung in Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz möglich sein soll. Nun plant auch die Bundesregierung, das BetrVG zu ändern und dem Ganzen eine gesetzliche Grundlage zu geben.

Damit will die Bundesregierung Präsenzsitzungen vermeiden, die mit hohen Infektionsrisiken verbunden sind. Gleichzeitig will sie so die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Mitarbeitervertretungen sicherstellen.

Betriebsrat: Beschlüsse auch per Video- und Telefonkonferenz

Betriebsräte sollen durch eine bis zum 31. Dezember 2020 befristete Änderung des BetrVG Beschlüsse auch via Video- und Telefonkonferenz fassen können. Auch virtuelle Betriebsratssitzungen müssen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit wahren. Mitglieder des Betriebsrats sollten ihre Teilnahme dem Betriebsratsvorsitzenden gegenüber in Textform bestätigen, z.B. per E-Mail.

Die Änderungen sollen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten. Bereits virtuell erfolgte Beschlüsse sind also rechtswirksam.

Personalvertretungen sollen handlungsfähig bleiben

Gleichermaßen will die Bundesregierung durch eine vorübergehende Gesetzesänderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) sicherstellen, dass Personalvertretungen handlungsfähig bleiben. Auch Personalräte sollen virtuelle Beschlüsse fassen können. Diese Regelung soll sogar befristet bis zum 31. März 2021 gelten.

Daneben soll es vergleichbare Ergänzungen auch für weitere Arbeitnehmervertretungen geben, z.B. für Sprecherausschüsse als Vertreter der leitenden Angestellten oder Arbeitnehmervertretungen in der Europäischen Gesellschaft (SE).

Virtuelle Tarifverhandlungen

Die Bundesregierung will außerdem das TVG an die momentane Ausnahmesituation anpassen. Danach soll es in § 5 Abs. 2 TVG einen neuen Satz geben. Laut diesem kann das BMAS in begründeten Fällen vorsehen, dass die Verhandlung per Video- oder Telefonkonferenz erfolgt.

Online-Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten möglich

Der nationale Lockdown durch die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf den Geschäftsbetrieb von Arbeitsgerichten aus. Wegen der bundesweiten Empfehlungen der Landesjustizverwaltungen, den Sitzungsbetrieb aus Gründen des Gesundheitsschutzes einzustellen, haben das Bundesarbeitsgericht (BAG) und auch die Arbeitsgerichte ihren Sitzungsbetrieb vorerst ruhend gestellt, dringende Fälle ausgenommen.

Derzeit beschäftigt sich die gesamte bundesweite Justiz damit, wie man gerichtliche Verfahren während der Corona-Pandemie fortführen und gleichzeitig rechtssicher gestalten kann. Ziel ist es, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden.

Änderungen im Arbeitsgerichtsgesetz

Bereits im März 2020 formierte sich eine Initiative der Landesarbeitsgerichte und von BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt und brachte konkrete Vorschläge vor, um das ArbGG zu ändern. Nun wurde auch der Gesetzgeber aktiv.

Das BMAS legte am 9. April 2020 einen Referentenentwurf vor. Am 24. April 2020 folgte eine überarbeitete Formulierungshilfe des BMAS zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Funktionsfähigkeit von Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der Corona-Krise. Die Formulierungshilfe sieht Änderungen im Arbeitsgerichtsgesetz, Sozialgerichtsgesetz, Tarifvertragsgesetz, Mindestlohngesetz und Heimarbeitsgesetz vor.

Alle Maßnahmen sollen zeitlich befristet bis zum 31. Dezember 2020 gelten, mit Ausnahme der Änderungen des Tarifvertragsgesetzes und des Mindestlohngesetzes. Die noch im Referentenentwurf geplanten Änderungen des KSchG sind in der Formulierungshilfe ersatzlos weggefallen.

Im Arbeitsgerichtsgesetz soll ein neuer § 114 Arbeitsgerichtsgesetz-E eingeführt werden. Durch diesen sollen Arbeitsgerichte ehrenamtlichen Richtern von Amts wegen gestatten können, mündlichen Verhandlungen per Übertragung in Bild und Ton von einem anderen Ort aus als dem Gericht beizuwohnen, wenn es diesen aufgrund der epidemischen Lage unzumutbar ist, persönlich bei Gericht zu erscheinen. An welchem Ort sich ehrenamtliche Richter während einer teilweise virtuellen Gerichtsverhandlung aufzuhalten haben, bleibt jedoch weiterhin ungeregelt. 

Arbeitsgerichte sollen zusätzlich auch den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen sowie Zeugen und Sachverständigen von Amts wegen gestatten können, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Verpflichtende Online-Verhandlungen sind jedoch vom Tisch: Eine einseitige Anordnungsbefugnis der Gerichte ist nicht mehr vorgesehen.  

Arbeitsgerichtsverfahren bleiben öffentlich

Außerdem wurde die im Referentenentwurf noch vorgesehene Möglichkeit, dass Arbeitsgerichte die Öffentlichkeit im Hinblick auf den Gesundheitsschutz von der Verhandlung ausschließen können, ersatzlos gestrichen.

Nur für das Verfahren am BAG wird bestimmt, dass eine Entscheidung nach vorheriger Anhörung im schriftlichen Verfahren, also ohne mündliche Verhandlung und unabhängig davon, ob die Parteien damit einverstanden sind, ergehen kann.

Die Möglichkeit, dass auch Landesarbeitsgerichte die öffentliche Entscheidungsverkündung durch Zustellung ersetzen können, sofern die Parteien einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben, ist in der Formulierungshilfe weggefallen.

Die Formulierungshilfe enthält mit Einführung eines neuen § 211 Sozialgerichtsgesetz-E vergleichbare Regelungen für die Sozialgerichtsbarkeit.

Keine vorübergehende Verlängerung der Klagefrist in Kündigungsschutzprozessen

Das BMAS hat von seinem ursprünglichen Vorhaben, die Klagefrist nach dem KSchG während der Corona-Krise von bislang drei Wochen auf fünf Wochen zu verlängern, Abstand genommen.

Diesen Änderungsvorschlag hatte unter anderem die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisiert und in einer Stellungnahme an das BMAS darauf hingewiesen, dass keine Notwendigkeit bestehe, die Klagefrist im KSchG temporär zu verlängern. Eine telefonische Beratung sei möglich, ebenso dass Mandanten und Rechtsanwälte elektronische Unterlagen austauschen und Schriftsätze elektronisch beim Arbeitsgericht einreichen. Das stelle ausreichend sicher, die dreiwöchige Klagefrist zu wahren.

Das BMAS hat nun nachjustiert und den Änderungsvorschlag für das KSchG in der Formulierungshilfe ersatzlos gestrichen.

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Katja Häferer ist Partner bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Carina Lencz ist Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern

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Felix Diehl ist Senior Associate bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern