„Social Mobility“ ist im Jurastudium und auch in der Rechtsbranche insgesamt sehr gering. Ein Großteil der Jurastudierenden kommt aus Juristen- oder Akademikerhaushalten. Aus diesem Grund fördert Baker McKenzie mit dem Stipendium für mehr Chancengleichheit gezielt jene Jurastudierende, die wegen kulturellen, finanziellen oder familiären Gründen einen erschwerten Zugang zum Juralernen haben. Hier ein Bericht über das Kick-off Event.
Zugunsten der Lesbarkeit haben wir auf geschlechterspezifische Schreibweise verzichtet. Wir bitten um Verständnis.
Am 10. Februar 2023 fiel der Startschuss für das Baker McKenzie Stipendium für mehr Chancengleichheit. Das Kick-off Event fand in unserem Frankfurter Büro statt. Wir trafen auf zwanzig hochmotivierte Stipendiaten, die jeweils einen unterschiedlichen Hintergrund aufweisen und aus verschiedenen Universitäten in Deutschland zusammenkamen. Einige haben bereits das Erste Staatsexamen abgeschlossen oder befinden sich derzeit in den entsprechenden Vorbereitungen.
Ziel des Stipendiums für mehr Chancengleichheit
Baker McKenzie verfolgt mit dem Stipendium das Ziel, mehr Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und -gerechtigkeit auf dem juristischen Arbeitsmarkt zu schaffen. Wir möchten Diversität fördern und auf diese Weise die Soziale Mobilität innerhalb der Rechtsbranche erhöhen. Bei der Diskussion um Chancengerechtigkeit dürfen herkunftsbedingte Ungleichheiten nicht außer Betracht gelassen werden. Es geht also in erster Linie nicht darum, formale Chancengleichheit herzustellen, sondern vielmehr darum, Stipendiaten aktiv zu fördern.
Das Stipendium dient dazu, allen Teilnehmern die gleiche Chancen zu gewähren, möglichst viel aus ihrer Karriere zu machen. Sie sollen nicht wegen ihrer sozialen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer Religionszugehörigkeit oder wegen anderer persönlicher Merkmale im Nachteil sein.
Die Stipendiaten gaben als Motivation für ihre Bewerbung an, dass sie zumeist Erstakademiker seien, einen Migrationshintergrund aufwiesen, teilweise die finanzielle Unterstützung fehle oder sie Familienangehörige pflegten, so dass ihnen wenig Zeit für die Konzentration auf das Jurastudium bleibe.
Das Stipendium soll eine Möglichkeit schaffen, sich mit Gleichgesinnten sowie erfahrenen Mentoren auszutauschen, sich zu informieren und gleichzeitig Zugang zu Karrieremöglichkeiten wie einem garantierten Praktikum oder einer späteren Referendariatsstelle zu erhalten. Vor allem bei Erstakademikern fehlt es meist nicht an Angeboten, sondern an entsprechenden Informationen, dem Zugang zu vorhandenen Möglichkeiten oder dem eigenen Mut, Fuß in einer Großkanzlei zu fassen. Unsere Kanzlei möchte hier mit dem Stipendium neue Perspektiven eröffnen.
Die eigenen Stärken kennen und Hürden meistern
Die Veranstaltung begann mit einer gegenseitigen Vorstellungsrunde. Hier lernten wir sehr interessante junge Talente kennen, die von ihren Schwierigkeiten und Herausforderungen im juristischen Studium und auf dem Arbeitsmarkt berichteten.
Es folgte ein Impulsvortrag von Anahita Thoms LL.M., die die internationale Handelspraxis und das deutsche Inclusion & Diversity Committee von Baker McKenzie Deutschland leitet. Sie gab einen motivierenden Abriss über ihren eigenen Werdegang und ihre Karriere. Dabei illustrierte sie anhand persönlicher Erfahrungen statistische Belege für Chancenungleichheit in der Rechtsbranche.
- Migrationshintergrund unterrepräsentiert: Weniger als 20 Prozent der Associates der 100 umsatzstärksten Kanzleien haben mindestens einen ausländischen Elternteil oder sind selbst im Ausland geboren. Nur ca. 10 Prozent der Partner haben Migrationshintergrund.
- Zu wenige Frauen in Führungspositionen: Weniger als 10 Prozent aller Partner der 100 umsatzstärksten Kanzleien sind weiblich.
- Nichtakademiker unterrepräsentiert: Nur ca. ein Drittel der Associates sind Erstakademiker; nur eines von zehn Nichtakademikerkindern erwirbt einen Doktortitel.
Die zentrale Botschaft von Anahita Thoms‘ Vortrag war, nach vorne zu blicken und sich der eigenen Stärken bewusst zu sein. So konnte man nach diesem Impuls viel Zustimmung vernehmen und in motivierte Gesichter blicken.
Chancenungleichheit erkennen
Wir beide, Subatra Thiruchittampalam und Markus Moßmann LL.M. (LSE), sind zwei der Mentoren, die die Teilnehmer des Stipendiums ein Jahr lang begleiten werden. Wir beschrieben im Anschluss an Anahita Thoms‘ Vortrag unseren eigenen Werdegang, gingen besonders auf unsere eigenen Hürden in der juristischen Laufbahn ein und gaben erste Tipps.
Die anschließende Q&A-Runde zeigte, dass den Stipendiaten das Bewusstsein für Herausforderungen wichtig ist, diese aber nicht als Ausrede gelten sollen. Vielmehr besteht großes Interesse daran, neue Wege zu entwickeln, um Chancenungleichheit, Informationsdefizite und Vorurteilen zu bekämpfen.
Erfahrungsaustausch in Mentoring Circle
Auf die Q&A-Runde folgte das Highlight der Kick-Off Veranstaltung: die Zuordnung von jeweils vier Stipendiaten in ihre Mentoring-Circle mit zwei erfahrenen Anwälten. In dieser Konstellation werden sich die Teams regelmäßig in den kommenden zwölf Monaten treffen, um Erfahrungen auszutauschen und um sich zu unterstützen. In einem ersten Workshop fanden intensive Diskussionsrunden statt zu den Fragen:
- Was bedeutet Chancengleichheit für Euch?
- Was erwartet Ihr Euch vom Stipendium?
- Wie können wir Euch darüber hinaus unterstützen?
Die Mitglieder der Mentoring Circle stellten anschließend ihre Ergebnisse in der gesamten Gruppe vor. Es fielen Schlagwörter wie Wissensaustausch, individuelle Chancenmaximierung, Chancen entdecken und nutzen, nicht als ,anders‘ wahrgenommen werden, Vielfalt an Möglichkeiten, Integration und Toleranz, keine Diskriminierung, „no framing“ und Ausgleich schaffen.
Die Stipendiaten antworteten auf die Frage, was sie von dem Stipendium erwarten, dass sie sich Nahbarkeit und Motivation erhoffen, eine Großkanzlei kennenlernen möchten, an einem neuen Stipendienprogramm, das vielfältig und anders ist, teilnehmen möchten, den Horizont erweitern, Austausch mit Mentoren, die Jurafuchs-App kennenlernen möchten sowie Fürsorge und Vorsorge erwarten. Zu der Frage, wie wir sie als Kanzlei darüber hinaus unterstützen können, erhielten wir folgenden Antworten: ein nachhaltiges Netzwerk, Mentoring im Bewerbungsverfahren, Erfahrungen teilen, Empowerment, offene Unterstützung, praktische Erfahrungen und ein gemeinsames Wachsen.
Wir ließen den Tag mit einem Besuch im Kochstudio in Sachsenhausen/Frankfurt ausklingen. Dort konnten wir uns in lockerer Atmosphäre weiter austauschen. Auch Dr. Oliver Socher, Partner und EMEA Head der Praxisgruppe Banking und Finance sowie für die kommenden zwölf Monate ebenfalls einer der Mentoren des Stipendiums, schwang für einen guten Zweck den Kochlöffel.
Wie geht es weiter?
Die Stipendiaten werden in unserer Kanzlei ein Jahr lang persönlich und fachlich gefördert. Nach dem Kick-off Event erwarten sie nun vierteljährliche Mentoring Circle, ein garantierter Praxiseinsatz in einem der deutschen Büros, ggf. ein Einsatz in einem internationalen Büro mit finanzieller Unterstützung, ein kostenloser Zugang zur Jurafuchs Lern-App, ein interkulturelles Seminar, regelmäßig stattfindende Impulsvorträge sowie eine Studienberatungshotline. Nach zwölf Monaten heißt es dann „Stabsübergabe“: Im Zuge des Hand-over Event werden die aktuellen Stipendiaten auf die nächste Stipendiaten-Generation treffen – so schließt sich der Kreis …