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Vor Ausbruch der Corona-Pandemie pendelten viele Arbeitnehmer aus den Grenzgebieten zu Österreich, der Schweiz, Frankreich und Luxemburg täglich über die Grenze zur Arbeit. Bislang galten für sie die steuerlichen Sonderregelungen für Grenzgänger oder Grenzpendler (siehe auch Kompass-Beitrag). Das könnte sich nun ändern – wegen des Homeoffice, das die Corona-Pandemie diesen Arbeitnehmern aufzwingt.

Grenzgänger i.S.d. Doppelbesteuerungsabkommens

Normalerweise wird der Arbeitslohn in dem Staat besteuert, in dem der Arbeitnehmer tätig ist. Das bedeutet, der Tätigkeitsstaat hat das Besteuerungsrecht. Abweichend davon hat der Staat, in dem der Arbeitnehmer seinen Lebensmittelpunkt unterhält, das Besteuerungsrecht, wenn der Arbeitnehmer unter die Sonderregelung für Grenzgänger fällt- so in den Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich, Schweiz und Frankreich.

Um Grenzgänger i.S.d. Doppelbesteuerungsabkommens zu sein, müssen der Arbeitsort und der Wohnort in der Nähe der Grenze des jeweils anderen Staates sein. Zusätzlich müssen Arbeitnehmer von ihrem Arbeitsort regelmäßig an ihren Wohnort zurückkehren. Wenn nicht, können sie ihre Eigenschaft als Grenzgänger verlieren, falls sie die zulässige Zahl der Tage überschritten haben, an denen sie nicht zurückgekehrt sind (Nichtrückkehrtage). Letzteres gilt für Österreich und Frankreich nach mehr als 45 Arbeitstagen, für die Schweiz nach mehr als 60 Arbeitstagen.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg enthält keine vergleichbare Sonderregelung für Grenzgänger. Dafür sieht eine Konsultationsvereinbarung zwischen Deutschland und Luxemburg vor: Der reguläre Tätigkeitsstaat behält das volle Besteuerungsrecht, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat oder einem Drittstaat an weniger als 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr ausübt. Zudem muss der Tätigkeitsstaat diesen Teil des Arbeitslohns tatsächlich besteuern.

Bisher unterlag der Arbeitslohn von Grenzgängern mit Wohnsitz in Deutschland und Arbeitsort in Luxemburg in voller Höhe der Besteuerung in Luxemburg. Das könnte sich wegen des – durch die Corona-Pandemie erzwungenen – Homeoffice ändern. Laut Konsultationsvereinbarung müsste bereits nach 19 Arbeitstagen im Homeoffice Deutschland das anteilige Besteuerungsrecht am Arbeitslohn erhalten.

Gelten Homeoffice Tage als Nichtrückkehrtage?

Es ist nicht ganz klar, ob die Homeoffice-Tage in der Schweiz als Nichtrückkehrtage qualifizieren. In diesem Fall könnte es auch dort nach 60 Tagen im Homeoffice zum Wechsel des Besteuerungsrechts kommen.

Deutschland und Österreich haben sich hingegen in einer Konsultationsvereinbarung in 2019 darauf geeinigt, dass Homeoffice Tage als Tage der Nichtrückkehr gelten. Dann könnte das Besteuerungsrecht nach 45 Arbeitstagen der Nichtrückkehr (inkl. Homeoffice Tage) aufgeteilt werden.

Allerdings sind laut Konsultationsvereinbarung mit Österreich Krankheitstage ausdrücklich keine Nichtrückkehrtage. Unklar ist: Was soll gelten, wenn eine Pandemie und keine Krankheit den Arbeitnehmer zum Homeoffice zwingt? In der aktuellen Situation sollte man berücksichtigen, dass der Verbleib im Homeoffice keine freiwillige Entscheidung des Arbeitsnehmers ist – ähnlich wie im Krankheitsfall. Diese aktuelle Homeoffice-Situation resultiert vielmehr aus staatlichen Anordnungen und Grenzschließungen.

Ein möglicher Wechsel des Besteuerungsrechts würde nicht nur die steuerliche Situation für Arbeitnehmer bedeuten. Der Arbeitgeber müsste u.U. vom auszuzahlenden Arbeitslohn im anderen Staat Steuer einbehalten und an die zuständige Behörde abführen.

So hätte eine Schweizer Gesellschaft mit dem Arbeitslohn eines Direktors im Homeoffice im Grenzgebiet in Deutschland den regulär geltenden Steuersatz ansetzen müssen – statt den Steuersatz von 4,5 Prozent, der für Grenzgänger erlaubt ist.

Betriebsstättenrisiken durch Homeoffice

Aus der Tätigkeit im Homeoffice erwachsen auch Betriebsstättenrisiken – besonders dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmer im Namen des Unternehmens Verträge verhandeln und unterzeichnen dürfen und dies im Home-Office tun.

Dann könnten sie als abhängige Vertreter der Gesellschaft, für die sie arbeiten, eine Steuerpflicht für die Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat begründen. Solche Tätigkeiten sollten besser die Kollegen im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft übernehmen.

Das Bundesarbeitsministerium stellte bereits klar: Vorübergehende Corona-bedingte Telearbeit ändert nicht das anwendbare Recht in der Sozialversicherung.

Die Finanzverwaltung äußerte sich bislang nicht zur steuerlichen Situation. Für Grenzgänger und ihre Arbeitgeber wäre es zu begrüßen, wenn die Finanzverwaltung sich vergleichbar klarstellend äußerte. Bis dahin sollten Arbeitgeber, die eine Änderung der Abzugsverpflichtung befürchten, das Thema mit ihrem zuständigen Finanzamt klären.

Für die betroffenen Arbeitnehmer in Deutschland ist die Thematik weniger dringend. Diese werden erst im nächsten Kalenderjahr ihre Einkommensteuererklärung für 2020 abgeben müssen. Dort werden sie die steuerliche Position vertreten und ggf. verteidigen müssen. Bis dahin wird es hoffentlich eine einheitliche Lösung für alle betroffene Grenzgänger geben.

Nachträge

Nachtrag 3.4.2020: Das Bundesministerium der Finanzen hat einen Artikel veröffentlicht, wonach angrenzenden Staaten eine zeitlich befristete Konsultationsvereinbarung vorschlagen wird. Ziel ist, eine Sonderregelung für die Zeit zu schaffen, in der aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr die Gesundheitsbehörden weiterhin zu Homeoffice raten, mit dem Ziel, es den betroffenen Beschäftigten zu ermöglichen, dass sie in diesem Zeitraum so behandelt werden, als hätten sie ihrer Arbeit wie gewohnt an ihrem eigentlichen Tätigkeitsort nachgehen können. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Nachtrag 6.4.2020: Das Bundesministerium der Finanzen hat zu diesem Datum eine Verständigungsvereinbarung mit Luxemburg veröffentlicht, wonach die vorübergehende Tätigkeit im Homeoffice aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie keine Auswirkungen auf die steuerliche Position der Grenzgänger haben soll. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Nachtrag 8.4.2020: Das Bundesministerium der Finanzen hat zu diesem Datum eine Verständigungsvereinbarung mit den Niederlanden veröffentlicht, wonach die vorübergehende Tätigkeit im Homeoffice aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie keine Auswirkungen auf die steuerliche Position der grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer haben soll. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Author

Ludmilla Maurer ist Counsel bei Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern